Jeder kennt solche Fälle: Der Betrieb ist übertragen – und dann fangen die Probleme zwischen Vater und Sohn erst so richtig an. Hatte der bisherige Chef die Übergabe an seinen Sohn gut geplant und fest im Griff, so wird es zunehmend schwierig, je mehr der neue Chef anfängt, eigene Entscheidungen zu treffen.
Ist das unvermeidlich für Betriebsübergaben? Oder ist der Alte einfach nur ein „sturer Bock“? Oder lässt sich das Ganze verstehen und noch auf gute Bahnen bringen?
Um es vorweg klarzustellen: Das gibt es natürlich genauso zwischen Vater und Tochter, zwischen Mutter und Tochter, oder auch zwischen Mutter und Sohn. Zwischen Vater und Sohn ist eben besonders häufig und oft, leider, besonders typisch.
Gemeinsam ziehen wir an meinem Strang!
Solange der Vater noch bestimmen konnte, wie die Übergabe ablaufen sollte, war er kooperativ. Aber als Hans den Stab an seinen Sohn Mark übergeben hatte, begannen die Probleme. Hans hatte mächtig geackert und den Betrieb erfolgreich bewirtschaftet. Nun sitzt der verdiente Ruheständler auf seiner Bank an zentraler Stelle auf dem Hof und hat alles unter Kontrolle. Ein Blick, ein Wort genügt und Mark ist auf 180.
Als der Junior den Kälberstall, den Hans in jungen Jahren eigenhändig aufgebaut hatte, abreißen will ohne ihn vorher zu fragen, da kommt es zu einer sehr hässlichen Szene zwischen Vater und Sohn. Der Senior kommt fassungslos angelaufen und fragte seinen Sohn, ob er von allen guten Geistern verlassen sei. Er wirft ihm vor, er würde alles, was er mühsam aufgebaut hatte, mutwillig zu Grunde richten und spricht ihm jegliche Betriebsleiterbefähigung ab. Und dabei hatte Mark Meisterkurs gemacht. Und einen BUS-Kurs obendrauf.
An diesem Tag erkennt Hans, dass er den Betrieb, den er Mark zu treuen Händen anvertraut hat, retten muss. Die Stimmung auf den Hof wird unerträglich. Alle leiden.
Dieser Kampf ist nicht zu gewinnen
Während die Männer in eisigem Grollen erstarren, halten das die Frauen nicht aus. Sie ertragen die schweigenden Männer nicht. Sie wollen das ändern. Aber wie sollen sie das hinbekommen?
Marks Frau Anne versucht alle vier an einen Tisch zu bekommen, aber das scheiterte am Widerstand der Männer, vor allem ihr Schwiegervater zeigte sich ablehnend: „Wofür soll das gut sein? Mark muss nur ordentlich wirtschaften, so wie ich das auch gemacht habe, und alles ist gut. Dafür muss man nicht stundelang zusammensitzen und reden, während draußen die Arbeit liegen bleibt“.
Aber auch Mark ist beleidigt. Sein Vater soll ihn einfach in Ruhe machen lassen, dann wird er ja sehen, dass es funktioniert.
Welche Tür ist nicht vernagelt?
In dieser verkanteten Situation fragt Anne einen erfahrenen Berater, was sie tun können.
„Am besten ist, wenn alle Konfliktpartner zusammenarbeiten und gemeinsam den Konflikt lösen wollen. Aber wenn das nicht oder noch nicht geht, kann man auch an irgendeiner Stelle anfangen. Wenn sich ein Mitglied im System verändert, verändert sich das ganze System,“ sagte der Coach.
Also gibt es zunächst ein Gespräch zwischen Mark, Anne und dem Berater. Rosi weiß Bescheid und hat Hans gesagt, dass sie nach einem Weg suchen, dass die Stimmung auf dem Hof wieder gut wird.
In diesem Gespräch hat Mark angefangen, seinen Vater zu verstehen. Das ging aber erst, als ihm klar wurde, dass er keinen Preis bezahlen muss, wenn er Verständnis für Sorgen seines Vaters hat. Verständnis für den Konfliktpartner bedeutet nicht, auf seine eigenen Ansichten oder Bedürfnisse verzichten zu müssen.
Oft haben die Abgebenden, die sich mit ihrem Lebenswerk identifizieren, Angst loszulassen. Und zwar nicht, weil sie es ihren Kindern nicht zutrauen, sondern weil es für sie es nahezu unerträglich ist, die Kontrolle darüber, ob ihr Leben sichergestellt ist, in die Zuständigkeit des Nachfolgers zu legen. Sie sind tatsächlich ausgeliefert. Und statt sich der neuen Herausforderung mit Vertrauen und neuem persönlichen Wachstum zu stellen, versuchen sie krampfhaft die Kontrolle über etwas zu behalten, was sie nicht mehr in ihren Händen halten.
So entsteht eine paradoxe Situation: Aus Angst, der Junior könnte nicht erfolgreich sein (und somit auch nicht das Altenteil sicherstellen) versucht der Senior die Kontrolle zu behalten und lässt nicht los. Das erschwert oder verunmöglicht aber dem Übernehmer die Verantwortung für den Erfolg gänzlich selbst zu übernehmen und in diese Rolle hineinzuwachsen, und dann läuft der Betrieb nicht. So könnte deswegen genau das eintreffen, wovor der Abgeber sich fürchtet und was er eigentlich verhindern wollte.
Vom König zum Berater des Königs werden
Schließlich gibt es ein Gespräch zu dritt. Vater und Sohn zusammen mit dem Coach.
Mark zu Hans: „Ich hätte so gerne einen erfahrenen Berater an meiner Seite, der mich bestärkt und mir meine Zweifel nimmt, aber jedes Mal, wenn ich auch nur andeute, etwas nicht zu wissen oder wenn ich mir nicht sicher bin, reißt du mir das Ruder aus der Hand und sagst: ‚Keine Angst, ich mach das schon‘. Das ist nicht das was mir weiterhilft!“
Hans: „Aber musst du denn alles über den Haufen werfen, was ich aufgebaut habe? Der Betrieb läuft doch!“
Mark: „Ich kann nur den Betrieb weiter entwickeln, weil du ihn aufgebaut hast. Dafür bin ich dir dankbar und ohne dein Engagement könnte ich heute nicht wirtschaften. Aber sag, Papa, ist der Betrieb heute noch genau der gleiche, wie du ihn von deinem Vater übernommen hast?“
Hans: „Natürlich nicht! Was denkst du denn…“
Da hat Hans etwas verstanden. Aber Mark konnte ihm auch sagen, dass er es versteht, dass es für ihn sehr schwierig sein muss, zuzusehen, wie nun Mark alles macht und entscheidet. Und Mark entschuldigt sich dafür, dass er ihm nicht vorher erzählt hat, dass er den alten Stall abzureißen will, um ein neues Kälberzentrum zu bauen.
Als Hans sich verstanden und mit all seinen Sorgen gesehen fühlt, fängt er an, seinem Sohn zuzuhören. Mark erzählt ihm von seinen Überlegungen und Plänen. Hans versucht sich in der Rolle des Beraters. Das fällt ihm am Anfang schwer, aber Mark macht es ihm leicht. Denn er hat eine Ahnung davon bekommen, dass abgeben schwerer ist als übernehmen.
Vom „König“ zum „Berater des Königs“ zu werden, das ist kein leichter Schritt. Aber ein notwendiger Schritt der Reifung, denn loslassen müssen wir zuletzt alle.
Den Sohn stärken, um den Betrieb zu stärken
Da beginnt es, dass Vater und Sohn wieder zusammenarbeiten können, aber auf eine neue Art.
Hans lernt, den Hof loszulassen und seinen Sohn Mark zu stärken. Im Grunde weiß er es genau: Nur ein kraftvoller Betriebsleiter kann erfolgreich wirtschaften.
Und das wollen ja beide.
Seid glücklich in eurem Familienbetrieb!
Peter Jantsch
PS: Wenn ihr erst mal ohne externe Hilfe versuchen wollt, das Gespräch zwischen den Generationen zu verbessern, dann schaut mal in “Glück und Gelingen im Familienbetrieb”, Band 1: Kommunikation und Konfliktklärung. Da geht es auch um Betriebsübergabe und um das Zusammenleben der Generationen.