In der Klimadebatte gibt es immer wieder Stimmen, die mahnen, dass es nicht Fünf vor Zwölf sondern bereits Fünf nach Zwölf sei. Ich möchte an dieser Stelle nicht auf die Klimadebatte eingehen, sondern darauf, was das mit mir macht, wenn ich höre oder denke: „Es ist bereits Fünf nach Zwölf“. Beende ich mein Engagement oder verdopple ich es?
In der Gesellschafts- und Klimadebatte nehme ich eine hohe Ratlosigkeit wahr, bezogen auf die Frage: „Was konkret kann ich denn tun? Oder ist es vielleicht bereits zu spät zum Handeln? Dann kann ich ja so weitermachen wie bisher…“ Es könnte ja noch andere Situationen geben, in der das Gefühl aufkommen könnte, es sei bereits Fünf nach Zwölf: In manchen Schweine oder Sauen haltenden Betrieben? In der Ehe? Was die persönliche Gesundheit angeht, zum Beispiel in Bezug auf Rauchen, Alkohol oder Stress?
Egal in welchem Zusammenhang, bei der Formulierung „es ist Fünf nach Zwölf“ stellt sich die Frage, ob es möglicherweise ungünstig oder doch noch nicht so schlimm ist, nicht mehr. Bei „Fünf nach Zwölf“ ist aller allerhöchste Zeit Veränderungen in Angriff zu nehmen für etwas, was eindeutig nicht gut ist.
Wenn man eine tiefgreifende Veränderungen vornehmen will oder muss, braucht es nicht nur eine konkrete Idee, was zu tun ist und einen Plan, wie es gelingen kann, sondern es braucht auch die Motivation, es wirklich zu tun. Veränderungen anzugehen, erfordert Anstrengungen. Es benötigt Kraft und Durchhaltevermögen, um sich gegen innere und äußere Widerstände durchzusetzen, die auftreten werden. Man wird an Punkte kommen, die weh tun und die einen herausfordern. In jedem Fall gilt es einen Preis zu zahlen. „Keine Veränderung ohne Opfer“. Dies mag jetzt demotivierend oder moralinsauer klingen, gemeint ist die Wahrheit, dass für jedes Neues, was kommen soll, etwas Altes losgelassen werden muss.
Im Zusammenhang mit der Klimakrise ist offensichtlich, dass viele liebgewonnene Gewohnheiten, was das Konsumverhalten oder den Umgang mit Ressourcen angeht, verändert werden müssen, weil der bisherige Umgang damit genau zu dieser Krise geführt hat. Weniger CO2 produzieren und gleichzeitig das CO2 erzeugende Verhalten beibehalten, das geht eben nicht.
Entsprechend verhält es sich, wenn man zum Beispiel weniger Alkohol trinken beziehungsweise ganz damit aufhören möchte oder wenn man in der Paarbeziehung das Gefühl hat, dass dringend eine grundlegende Veränderung nötig wäre. Nie ist alles nur schlecht oder nur gut. Es wird immer auch etwas loszulassen sein, was in Anteilen uns lieb und wichtig ist, oder an das wir uns gewöhnt haben. Das ist nicht so leicht.
Führt die Formulierung Fünf nach Zwölf dazu, dass wir motiviert sind und unsere Engagement verdoppeln und bereit sind, Widerstände zu überwinden und Anstrengungen in Kauf zu nehmen? Oder lähmt es uns und wir sagen: „Es ist zu spät. Es ist eh aussichtslos. Wenn es bisher nicht geklappt hat, dann klappt es jetzt auch nicht.“ Diese Gedanken sind gefährlich. Sie blockieren das Lernen und die persönliche Entwicklung. Sie laden ein in einer Opferhaltung zu erstarren.
Der Zeitpunkt, an dem wir uns in der Vergangenheit hätten anders entscheiden können, um nicht an den Punkt zu gelangen, an dem wir jetzt stehen, dieser Moment – falls es ihn je gegeben hat – ist jetzt jedenfalls vorbei. Entscheidungen können nur in der Gegenwart getroffen werden. Es gibt also keinen besseren Zeitpunkt, Veränderungen anzufangen, als jetzt.
So gesehen ist es nie zu spät. Selbst wenn es mir in einigen Fällen nicht mehr gelingen könnte, bestimmte Ziele zu erreichen, weil es dafür tatsächlich zu spät ist, (zum Beispiel mit Mitte Fünfzig noch Profifußballer zu werden), so kann ich immer zu etwas Neuem aufbrechen, von dem ich mir verspreche, dass es in der Summe besser ist als das, was jetzt gerade ist: Mit dem Rauchen aufhören. Sport treiben. Meine Ehe verbessern. Zufriedener sein. Eine betriebliche Alternative entwickeln. Was auch immer.
Aufzubrechen hat eine große Auswirkungen auf mein Selbstwertempfinden und meine Haltung als einer, der oder die es in die eigenen Hände nimmt, die Situation zu verbessern. Wenn ich hingegen vor einem Fünf nach Zwölf kapituliere, so entscheide ich mich für eine Opferhaltung. Ich sperre mich in das „es hat doch eh keinen Zweck mehr“-Gefängnis ein. Das ist eine Haltungsfrage. Eine Frage des aufrechten Rückens und der Übernahme von Verantwortung für mich und für meine (oder unsere) Zukunft. Dies kann nur gelingen, wenn ich mich ernsthaft und leidenschaftlich dafür einsetze, mein Ziel zu erreichen. Dafür brauche ich ein gutes, stimmiges und mich motivierendes Ziel, nicht perfekt, sondern konkret. Aber das Ziel ist nicht das wichtigste. Das Ziel brauche ich, um loszugehen. Entscheidend ist, dass ich die Veränderung aktiv vorantreibe, ohne mein Engagement davon abhängig zu machen, ob ich das Ziel wirklich erreichen werde.
Hauptsache ist, dass ich losgehe.
Jetzt.
Auch, wenn es bereits Fünf nach Zwölf ist.
Wie das genau geht, sich gute Ziele zu formulieren und diese im Alltag umzusetzen, steht in dem Buch: Glück und Gelingen im Familienbetrieb, Band 2: Veränderungen bewirken, Ziele erreichen.
Sei glücklich in Deinem Familienbetrieb!
Peter Jantsch
Abbildung P. Jantsch unter Verwendung von Fotos von Pixabay (Free-photos, Gerd Altmann) und Pexels.